Die Stimme der FinsternisGebundene Ausgabe
"Bring uns den restlichen Wein, Baba -- oder hast du ihn schon selbst ausgetrunken?" Der Abend ist bereits weit fortgeschritten, die Gäste haben gut gegessen, und der Hausherr Masrur al-Adan fordert seinen Diener auf, für flüssigen Nachschub zu sorgen. Denn er soll eine Geschichte erzählen, eine Geschichte aus jener Zeit, als er noch ein junger Soldat war und in den Diensten des Kalifen Harun al-Rashid stand. Damals war er mit einer Karawane in den Norden aufgebrochen, um einem benachbarten Fürsten Geschenke zu überbringen. Doch die Karawane wurde überfallen, und Masrur verschlug es mit wenigen Getreuen in die Berge. Während sie verzweifelt nach einem Weg zurück nach Bagdad suchen, werden die Mannen des Kalifen Nacht um Nacht von einem entsetzlichen Geschöpf heimgesucht. Kein Schwert vermag es zu verletzen, kein Gebet kann es vertreiben. Da hat der junge Bauernbursche Kurken eine rettende Idee: Die Gefährten sollen einander die ganze Nacht hindurch Geschichten erzählen, denn dadurch würde -- so hat er gehört -- das fremde Wesen gebannt und an weiteren schrecklichen Taten gehindert. Und so versammeln sich die Männer nach Sonnenuntergang um das Lagerfeuer und erzählen buchstäblich um ihr Leben. Ganz im Stil der Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht schreiben Nina Kiriki Hoffman und Tad Willams -- der Autor von Otherland -- eine Geschichte in der Geschichte in der Geschichte. Auf drei ineinander verschachtelten Handlungsebenen schildern sie einen geselligen Abend, werfen einen Blick in die Jugendzeit des Hausherrn, und tun von dort aus einen erneuten Blick in eine längst vergangene Zeit. Die Stimme der Finsternis sprüht vor Fantasie und weckt bei seinen Lesern den Wunsch, westliche Romanciers würden öfters an die Erzähltraditionen der arabischen Welt anknüpfen. Denn deren Wurzeln reichen weit zurück und sind in ihrer Vielseitigkeit und Buntheit bis heute unerreicht. --Felix Darwin
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