Operation Freiheit. Der Krieg im Irak.Wolfgang Sofsky
Gebundene Ausgabe
Es spricht nicht per se gegen einen Autor, wenn er schon beim Verfassen eines Kriegstagebuches an dessen Veröffentlichung denkt. Genauso wenig lässt sich kritisieren, dass jemand da, wo andere noch im vorsichtigen Einerseits-Andererseits verharren, seinen Standpunkt schon gefunden hat. Aber der Reihe nach. Der Soziologe Wolfgang Sofsky, bekannt geworden durch seine Studie Die Ordnung des Terrors. Das Konzentrationslager, hat -- den Bedingungen eines Kriegs unter Beteiligung der Medien konsequent Rechnung tragend -- zwischen dem 11. Januar und dem 16. April 2003 seine Beobachtungen und Überlegungen zum Bush-Blair-Feldzug gegen den Irak niedergeschrieben. "Jenseits moralischer Empörung", lobt der Verlag seinen Autor, plädiere Sofsky "für eine nüchterne Analyse der Wirklichkeit der Macht". Ein lobenswerter Ansatz -- nüchtern ist immer gut. Wie überhaupt alles immer sehr gut klingt, wenn der Autor im Allgemeinen, Abstrakten bleibt -- und zum Beispiel über "Ziele und Szenarien", "Gerüchte" oder das Wesen der Despotie räsonniert. (Kostprobe: "Der gemeine Mann muß in der Despotie jederzeit fürchten, in Mißlichkeiten verwickelt zu werden."). Nicht so gut ist allerdings Sofskys Neigung, aus allgemein zutreffenden Aussagen gewagte, konkrete Schlussfolgerungen zu ziehen. Sicher lässt sich über die UN-Gläubigkeit "der unzähligen Klein- und Mittelstaaten" spotten, die "die Legitimierung der Macht für die Macht selbst" halten. Aber -- UN-Mandat hin oder her -- folgt daraus wirklich schon, dass nur, weil außer den USA niemand den Irak militärisch in die Schranken verweisen kann, dies auch getan werden muss? Nach dem Motto: "It's a dirty job, but someone's got to do it." Was nicht heißt, dass solche Situationen nicht eintreten können (Stichwort: Ex-Jugoslawien). . Sofskys Verdikt, "Realpolitik gilt hierzulande als Zynismus, Machtpolitik als Bedrohung der Provinzmoral" lässt sich nämlich auch gegen seinen Urheber wenden: Offener Zynismus ist noch keine erfolgreiche Realpolitik, eine wildgewordene Provinzmoral à la Bush kann hingegen leicht zur Bedrohung für jede kluge Machtpolitik werden. --Axel Henrici
|