Asoziale MarktwirtschaftBook, Broschiert
Viele Großunternehmen zahlen wenig bis gar keine Steuern. Und das schmerzt den Staat. Geld fehlt. An allen Ecken und Enden. Für die zwei Enthüllungsjournalisten Hans Weiss und Ernst Schmiederer kann und darf es so nicht weitergehen. Für sie herrscht in Deutschland eine asoziale Marktwirtschaft. Eine Marktwirtschaft, in der die Unternehmen keine Verantwortung mehr übernehmen und zusehen, wie der Staat Grundleistungen immer weniger finanzieren kann. Zur Veranschaulichung haben sich die beiden Autoren nicht nur mit "hochrangigen Insidern" (so steht es auf dem Klappentext) getroffen, die ihnen "ungeschminkt erzählen, wie die Multis ihre Gewinne verschleiern und wie Politiker die Arbeit ihrer eigenen Finanzbeamten behindern". Und sie sind nicht nur um die Welt gereist, um die beliebtesten internationalen Steueroasen zu besuchen, in denen "Konzerne und steinreiche Privatiers ihr Vermögen" parken. Sie haben sich auch ihrer düsteren Realität gestellt. Und die zeigt sich für sie nirgends so gut wie in Gelsenkirchen. Die Zeit in der die Stadt das Zentrum des schwarzen Goldes war, ist vorbei. Kohle ist Vergangenheit. Viele Kumpel sind arbeitslos. 18 Prozent sagt die Statistik. Oder verdienen sich ihren Lebensunterhalt als Haldenförster. . Unternehmen, die sich im Ruhrpott niedergelassen haben, so die Autoren, wollen daran nichts ändern. Sie wollen nicht die Region stärken oder den Menschen eine neue Perspektive bieten. Sie kommen, weil es ihnen in ihr Konzept passt: Steuern sparen und Subventionen einstreichen. Vorzuwerfen ist ihnen das jedoch nicht: "Von einem Konzern", so Weiss und Schmiederer, "kann man vieles verlangen, "aber kein moralisches Verhalten". Die Politiker müssen für die beiden ran. Doch die bieten den Konzernen nicht die Stirn, sondern prostituieren sich und lassen mit Blick auf die anderen Staaten und ihre eigene Zukunft immer weitere Hüllen fallen. Weiss und Schmiederer waren fleißig. Keine Frage. Doch im Eifer des Gefechts haben sie vergessen einen Gegenentwurf zu ihrer "asozialen Marktwirtschaft" zu entwerfen. Für sie ist die Welt hinter den dick gepolsterten Türen schlecht. Korrupt, skrupellos, ohne Moral. Womit die alten Feindbilder wieder aufs Vortrefflichste bestätigt werden. Die Schweine da oben, wir Lämmer da unten. Doch das ist zu wenig. Die einsame Kritik an Unternehmensführern oder Politikern ist ein Überbleibsel des 20. Jahrhunderts. Heute ist jeder aufgefordert, sich "der großen Frage nach der sozialen Gerechtigkeit im Zeitalter der Globalisierung" (Ulrich Beck) zu stellen. Und konkrete Entwürfe zu liefern. Deswegen landet Asoziale Marktwirtschaft auf dem hohen Stapel der Enthüllungsbücher: gut geschrieben, gut recherchiert, aber nicht zukunftsweisend. Heike Littger
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