Der Flug des FeuervogelsErnst W. Heine
Gebundene Ausgabe
Hallo, wo kann man hier buchen? Rothenburg o.T., will's scheinen, war auch im 14. Jahrhundert schon eine Reise wert. Unter schnuckeligem Fachwerk dampfen hier die Leiber, wölben sich die Schöße, Mönchsgemächte treibt es gleich reihenweise aus den Kutten. Fromme Dominikanerinnen mutieren zu Dominas, Kleinwüchsige treibt die Not gar zu den Schweinen. Eine weitere Touristenattraktion Rothenburgs dürfte der so genannte "geile Montag" gewesen sein. Diese zarte, aber treffende Bezeichnung steht für eine Art aus den Fugen geratener Altweiberfastnacht als Überdruckventil für erotisch zu kurz gekommene Rothenburger. Zurzeit boomt das Mittelalter ja regelrecht. Michael Crichton organisierte schon erste Zeitreisen (Timeline). Ist da etwa eine leise Sehnsucht spürbar von uns verkopften Überkultivierten nach archaischen Zuständen, nach Verderbtheit und Direktheit? Hier jedenfalls bekommt man all diese Dinge satt. Im schönen mediävalen Tauberstädtchen brennt E.W. Heine nämlich ein solches Feuervogelwerk an Bluträuschen und sexueller Ausschweifung ab, dass einen die Frage beschleicht, ob hier wohl einer seine sehr persönlichen Obsessionen auslebt. Zurück zu den Schweinen. Die nämlich werden verantwortlich gemacht für die unerklärlichen Brandstiftungen, die in letzter Zeit die Franziskanerhäuser Rothenburgs verwüsteten. "Uriel in urbe", der Teufel ist in der Stadt! Und den vermutet Bruder Barnabas, ein mit dem Fall betrauter Franziskaner-Detektiv, in den Sauen. Parallel entfaltet der Roman die zarte und tragische Liebesgeschichte zwischen der schönen Judith, einer spanischen Jüdin aus Aragon und dem Christen und Bürgermeistersohn Attila Toppler. Der konfessionelle Konflikt ist vorprogrammiert. Judith, auf ihrem langen Weg zur Erkenntnis (Medica-Ausbildung eingeschlossen), beginnt zu ahnen, welch dunkle Mächte sich ihrem Freiheitsdrang entgegenstellen!. Spannender Trip in eine Zeit, in der Städte nach Kot stanken, die Pest wütete und Menschen auf Marktplätzen zur Belustigung aller gevierteilt wurden. Passable Sommerlektüre, wenn auch in seiner erzählerischen Kraft nicht ganz an die Qualität eines Ken Follett (Die Säulen der Erde) heranreichend. --Ravi Unger
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