Im Wendekreis des Krebses: LesungHenry Miller
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Der 1934 in Paris erschienene, stark autobiographisch gefärbte Roman Wendekreis des Krebses begründete Henry Millers Durchbruch als Schriftsteller. In dem immer wieder als Pornographie verurteilten Bekenntnisbuch wechseln sich philosophische, moralische Reflexionen mit Episoden aus dem abenteuerlichen Leben des Ich-Erzählers in der Pariser Boheme ab. Der anarchische Lebensstil als Libertin mit der, nicht nur für die damalige Zeit auffallenden sexuellen Freizügigkeit ist durchsetzt von zivilisationskritischen Betrachtungen. Bestimmend für die Perspektive ist ein Bekenntnis zur absoluten Freiheit des Individuums. Bis heute gilt Wendekreis des Krebses als eines der provokantesten Werke der Weltliteratur. Nicht nur in den USA wurde Henry Millers Werk verboten, seine Schriften wurden aber auch in zahlreiche Sprachen übersetzt und vielfach geehrt. . Der Roman mit der schonungslos präsentierten sexuellen Freizügigkeit -- Sex ist auf einer Ebene mit essen und trinken aufgeführt -- steht zweifelsfrei für viel mehr als für "animalisches" Rumficken. Werner Wölbern findet einen durchweg überzeugenden Ton für dieses Bekenntnis und die Aufforderung zur Rebellion, zum Durchbrechen von Tabus. Der an der Folkwang-Hochschule in Essen ausgebildete Schauspieler hatte Engagements am Thalia Theater in Hamburg, am Düsseldorfer Schauspielhaus und am Wiener Burgtheater. Wölbern hat darüber hinaus Erfahrung mit Hörspielen und Hörbuchlesungen. Er interpretiert den Roman, ohne chronologischen Ablauf, gefüllt von der Suche nach dem intensiven Leben, gepaart mit der Erkenntnis der Hoffnungslosigkeit, die nicht mit Verzweiflung gleichzusetzen ist, auffallend und angenehm undramatisch, fast selbstverständlich. Mit einer Mischung aus Humor und Zynismus liest er die naturalistisch beschriebenen Sequenzen: die genauen Beschreibungen von Menschen, einheimische Prostituierte oder ausländische, exotische Leute wie etwa Hindus oder vom Traumjob des Korrektors. Er erzählt dem kraftvoll-unbeirrbarem Ton des Autors entsprechend. In seiner Stimme klingt die Befreiung von moralischen, sexuellen Tabus als legitimer, vor allem nahe liegender Akt echt. Aus der Perspektive des Verfalls der Gesellschaft -- ?Der Krebsschaden der Zeit frisst uns auf.? setzt er eine neue umfassende Lebensphilosophie in Szene. Die derben Sprüche, das ganze Vokabular aus ?Pritschen?, ?ficken?, ?Möse?, ?Pint? klingen bei ihm nicht aufgesetzt, sondern selbstverständlich. Mühelos gelingt Wölbern der Wechsel zu den Passagen in lyrisch, visionärer Sprache: etwas heiser, gehetzt voller Überreiztheit bringt er Visionen zu Gehör. Interessanterweise wird die anfängliche Verherrlichung der Prostitution als authentische Alternative zur verderbten, kranken Gesellschaft, in der der Mensch Sklave von Geld und Moral ist, in der Beschreibung seines Freundes Fillmore, der in die Klauen der Nutte Ginette gerät, auf weite Strecken zurückgenommen. . Henry Miller schrieb den Roman in Paris, in das er 1928 gegangen war. Er lebt dort im Kreis der ?American Exiles?, Anais Nin war seine Mäzenin. Der 1891 geborene deutschstämmige Miller, aufgewachsen in New York, lebte seit 1940, nach Ausbruch des Krieges in Kalifornien, wo er 1980 starb. Der umstrittene Schriftsteller durchbrach nicht nur auf dem Papier sexuelle, moralische Schranken, er lebte dies auch auf weite Strecken. Für sein grenzenloses Freiheitsplädoyer wurde er von der Beat Generation und den Hippies verehrt, von der feministischen Literaturkritik hingegen wurde er verständlicherweise an den Pranger gestellt. Lesung, Spieldauer: ca. 438 Minuten, 6 CDs. -- culture.text
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