Parasiten. Ein SachbuchUlrich Enzensberger
Ledereinband
Was wäre vernünftiger im Jahre eins nach dem Börsenrausch als ein Buch über Parasiten? Das griechische Wort bedeutet Mitesser: Der Parasit wählte einst das heilige Opfergetreide aus (nur vom Besten) und nahm am Mahle teil. Ulrich Enzensberger hat das Buch als Wir-Erzählung geschrieben: Die Parasiten der Antike geleiten uns, die Leser, durch drei Jahrtausende ihres Lebens, ihres Jahrhunderte währenden Verschwindens und ihrer gloriosen Wiedergeburt: als Schreckgespenst der Hygiene und bald auch der Politik. Ob bürgerliche, sozialistische oder post-bürgerliche Gesellschaft, alle waren der Parasiten bedürftig, jenes gespenstischen, meist schwer mit Augen zu erblickenden, heimtückisch wühlenden Phänomens des kosten- und verdienstfreien Mit-Genießens von gesellschaftlichem wie individuellen Reichtum. Große Zeit hatten die Parasiten bei den Ideologen, von Karl M. bis Adolf H. Und -- auf die Parallele hat Enzensberger verzichtet -- streckt er, der Parasit, nicht auch wieder sein Haupt aus der Debatte um die faulen Arbeitslosen?. Was wäre schöner als ein Buch der Anderen Bibliothek? Für den Gegenwert einer Stange Zigaretten etwas kompakt Gebundenes, mit Lesebändchen Versehenes, bis ins letzte Komma mit Sorgfalt gesetzt und gedruckt. Über und über hat Franz Greno es mit Ekeltieren geschmückt, Läuse und Spulwürmer bilden ironische Schmuckbänder, gruselige Nachrichten aus jenem allgegenwärtigen und Gott sei Dank in unserer Welt nur noch selten sichtbaren Reich der Kleinlebewesen. Fazit: ein geschichts- und geschichtenreiches Buch mit dem Nebenthema Angst. Jene Angst vor dem Feind intra muros, der längst unsichtbar anwesend ist. Der unser angestrengtes, mühsames Leben voll Arbeit verhöhnt, indem er das Paradies vor dem Sündenfall wieder herstellt: Genuss ohne Anstrengung. --Michael Winteroll
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