Der traurige Gott. Richard Wagner in seinen HeldenPeter Wapnewski
Gebundene Ausgabe
Nach Fertigstellung seines Lohengrin (1848) weigerte sich Richard Wagner beharrlich, Opern zu schreiben: Gesamtkunstwerke sollten es sein, mit dem ganzen Pomp und der Dramatik großen Theaters. "Ich schreibe keine Opern mehr", notierte der Maestro dementsprechend 1851, und: "da ich keine willkürlichen Namen für meine Arbeiten erfinden will, nenne ich sie Dramen.". Zu guten Dramen aber braucht es gute Helden, und die finden sich bei Wagner reichlich. Der Mediävist Peter Wapnewski hat sich genau diesem Aspekt im Werk des deutschen Kompositionsgenies vom Tristan (1857/59) bis zum Parzival (1882) verschrieben. Nach der Neuauflage von Tristan der Held Richard Wagners (2001) zeigt auch dieser nun ebenfalls im Berlin Verlag wieder greifbare, blendend und fundiert geschriebene Band, wie viel Interessantes und Überraschendes dem musikdramatischen Werk Wagners durch hermeneutische (und beizeiten autobiografisch ausgerichtete) Betrachtung noch abgewonnen werden kann. Im Zentrum steht die Idee, dass Wagners Heldinnen und Helden keineswegs so heldenhaft und seine Schurken (allen voran Alberich, Beckmesser, Loge und Melot) mitnichten so unmenschlich auf der Bühne sterben beziehungsweise meucheln wie oftmals angenommen -- außer Brünhilde vielleicht, an der nichts Negatives haften bleibt, oder Mime, der musikalisch ganz und gar zum "Untermenschen" verkomme. Ganz zu Recht spricht Wapnewski von "gemischten Charakteren", wobei der menschlichste unter ihnen ausgerechnet Wotan sei, der "politische Gott". Das tut gut in der Flut schwarz-weiß-malender Sekundärliteratur. Dabei gleicht Wapnewskis Buch manchmal selbst einer sprachlich umgesetzten Inszenierung eines Wagner-Stücks: Gewaltig wogen da die Wellen der Kapitel, gedankenvoll gesetzt ist jedes Wort. Das aber tut der Lektüre keinen Abbruch, im Gegenteil: Der traurige Gott ist ein wichtiges Standardwerk der Wagner-Rezeption und sollte in keinem Bücherschrank fehlen. --Thomas Köster
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